Ein Saarländer im All

ESA-Astronaut Dr. Matthias Maurer aus dem Saarland. Foto: ESA, N. Fischer

Ein Interview mit ESA-Astronaut Dr. Matthias Maurer.

Die Raumfahrtagenturen der USA, Russland, Japan, Kanada und Europa gaben bekannt, dass Dr. Matthias Maurer der zweite ESA und der erste deutsche Astronaut sein wird, der an Bord einer SpaceX Raumkapsel des kommerziellen NASA Crew-Programms zur ISS fliegt.

Die ganze Welt schaut jetzt auf Sie, wir Saarländer*innen sind natürlich ganz besonders stolz und freuen uns sehr, dass wir Ihnen ein paar Fragen stellen dürfen.

Begeisterung Weltall

Was fasziniert Sie an dem Beruf Astronaut ?

Astronauten sind heutzutage Wissenschaftler im Weltraum. Wir arbeiten mit der modernsten Technik in internationalen Teams. Und das passt genau zu meiner Ausbildung: Ich bin Werkstoffwissenschaftler. Ein Forschungsthema, das wir auch auf der ISS untersuchen. Ich habe in verschiedenen Ländern gelebt und studiert und ich mag die Arbeit in internationalen Teams. Nicht zu vergessen ist natürlich auch der Punkt des Abenteuers. Ein Weltraumflug ist ein unglaubliches Abenteuer. Und das gibt es nur für einen Astronauten.

Sie sind Schirmherr des Projekts „St. Wendeler SternenLand“. Wie kam es dazu?

Die Begeisterung der Menschen für den Weltraum und das Bedürfnis der Menschen, das Universum zu verstehen, existiert schon immer. Das wissen wir nicht erst, seit die Himmelsscheibe von Nebra gefunden wurde, die ja die älteste bekannte Darstellung des nächtlichen Himmels ist. Und diesen faszinierenden Blick auf den Nachthimmel, den haben wir auch vom Saarland aus. Aber mit immer mehr Lichtquellen in unserer Umwelt wird dieser Blick auf die Sterne schwächer. Wir erleben auch, dass immer mehr Satelliten gestartet werden, die stark reflektieren und dadurch die Beobachtung der Sterne erschweren. Und das war für mich ein Grund dafür, die Initiative „St. Wendeler SternenLand“ zu unterstützen, damit auch unsere zukünftigen Generationen dieses Gefühl, diesen Blick auf den Nachthimmel, ungestört erleben können.

Blick in den saarländischen Sternenhimmel. Foto: Dr. Sebastian Voltmer. www.voltmer.photo
Blick in den saarländischen Sternenhimmel. Foto: Dr. Sebastian Voltmer. www.voltmer.photo

Mission „Cosmic Kiss“

Bei vielen Experimenten Ihrer Mission „Cosmic Kiss“ spielen Themen wie die Verletzlichkeit unseres Heimatplaneten und Nachhaltigkeit eine bedeutende Rolle. So stehen zum Beispiel Experimente zur nachhaltigeren Ernährung oder zu Pflanzensamen im Weltraum auf Ihrem Programm. Wie dürfen wir uns das vorstellen?

Die Durchführung von Experimenten im Weltraum ist sehr aufwändig. Die Experimente werden nicht von den Astronauten ausgewählt, sondern von einem Team aus den besten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die für die ESA nach Richtlinien wie Nachhaltigkeit und wissenschaftlicher Bedeutung die Auswahl treffen.

Der Wunsch zur Nachhaltigkeit ist übrigens bei allen Astronautinnen und Astronauten sehr ausgeprägt. Das hängt damit zusammen, dass wir durch den Blick vom Weltraum auf unsere Erde erkennen, wie einzigartig unser Planet ist und wie sich unser Verhalten auf die Erde auswirkt.

Logo der Mission Cosmic Kiss Foto: ESA
Logo der Mission Cosmic Kiss Foto: ESA

Freizeit auf der ISS?

Ein halbes Jahr rund 400 Kilometer über der Erde arbeiten, schlafen, essen und trinken. Zwei Trainingsstunden auf Fitnessgeräten wie dem Fahrrad, welches das älteste Fitnessgerät der Astronauten ist, stehen fest. Sie schätzen die Bordmahlzeiten als wichtige Unterbrechung des Bordlebens. Sogar ein Stück Heimat, also saarländische Bordverpflegung, haben Sie mit dabei. Doch wie verbringen Sie Ihre freie Zeit?

Der Alltag im Weltraum ist streng geregelt. Wir haben einen acht bis zehn Stunden langen Arbeitstag. Dazu kommen zwei Stunden Sport, acht Stunden Schlaf sowie die Zeit für die Vor- und Nachbereitung der Experimente. Natürlich hat man noch ein paar Stunden Freizeit. In der Freizeit schaut man runter auf die Erde und genießt diesen einzigartigen Blick. Aber man versucht auch, den Kontakt mit der Familie und den Freunden auf dem Boden zu halten, sei es per E-Mail, einem Videoanruf oder per Telefonat.

Wie kann man sich in der Schwerelosigkeit entspannen beziehungsweise Schlaf finden? Muss man sich hierbei anschnallen? Wie fühlt sich die Schwerelosigkeit an? Wie wird geduscht, sich rasiert?

Das Schlafen in Schwerelosigkeit soll kein Problem sein. Ich stelle mir das so ein bisschen vor, wie in einem Wasserbett zu liegen. Wir schlafen in einem Schlafsack, der an der Wand in der Kabine befestigt ist, damit wir beim Schlafen nicht wegschweben.

Wir haben im Weltraum keine Dusche, sondern waschen uns mit feuchten Tüchern. Rasieren können wir uns mit einem Elektrorasierer oder auch einem Nassrasierer, weil der Schaum die Haare bindet. Bei 6 Monaten im Weltraum muss man sich auch die Haare schneiden und das funktioniert genauso, wie auf der Erde. Nur mit einer Art Staubsauger, damit die abgeschnittenen Haare nicht durch die Luft segeln.

Es scheint ja eigentlich immer die Sonne, wie bekommt man einen normalen Rhythmus in den Tag?

Die Internationale Raumstation ISS fliegt jeden Tag 16 mal um die Erde. Das bedeutet, wir haben 16 Sonnenauf- und Sonnenuntergänge. Eine Umrundung um die Erde dauert 90 Minuten und davon ist grob die Hälfte bei Tag und die andere Hälfte bei Nacht. Zum Glück wirkt sich das aber nicht stark auf den Biorhythmus der Astronautinnen und Astronauten aus, weil in den meisten Modulen gar keine Fenster sind. Das heißt, wir leben im Innenraum der Station mit normalem Neonlicht, was wir morgens anschalten und abends, wenn wir schlafen gehen, wieder ausschalten. Nur wenn wir aus dem Fenster schauen haben wir das Tageslicht.

Freizeit zu Hause

Sie haben ein unglaubliches Trainingsprogramm hinter sich und sind bestens auf Ihren Aufenthalt in der ISS und die zu erledigenden Aufgaben vorbereitet. Sind Sie eigentlich privat dann auch noch gerne sportlich aktiv oder pflegen Sie andere Hobbys? Wenn Sie zu Hause im Saarland sind, welche Möglichkeiten zur Entschleunigung schätzen Sie besonders?

Ich muss beruflich sehr viel Sport machen. Ein Großteil findet aber drinnen, also in einem Fitnessraum statt. Daher freue ich mich immer ganz besonders, wenn ich zu Hause im Saarland bin. Dann gehe ich in den Wald joggen, genieße die frische Luft und die Stille. Außerdem gehe ich auch gerne wandern. Wir haben ja im Nordsaarland ganz tolle Wanderwege, wie z.B. den Rötelsteinweg bei uns in der Gemeinde Oberthal. Aber das schönste im Saarland ist natürlich, wenn ich mich mit meinen Freunden zu einem Schwenkbraten treffen darf.

ESA-Astronaut Matthias Maurer beim Training. Foto: ESA, Stephane Corvaja
ESA-Astronaut Matthias Maurer beim Training. Foto: ESA, Stephane Corvaja

Schwerelos

Schwebend in einer Raumkapsel auf engstem Raum mit Ihren Kollegen Raja Chari, Thomas Marshburn und einer weiteren Person. Hatten Sie schon persönlichen Kontakt ? Wie bereitet man sich auf so eine enge Zusammenarbeit und eine ständige Anwesenheit von drei Menschen vor? Und bei all der Schwerelosigkeit, haben sie keine Sorge ihr Realitätsgefühl zu verlieren in diesem abgehobenen Raum? Haben Sie keine Sorge im Weltall Ihr Gefühl für das Gleichgewicht zu verlieren?

Die Schwerelosigkeit durfte ich ja schon ein paar Mal während meines Trainings bei Parabelflügen spüren. Da war die Schwerelosigkeit aber immer nur 22 Sekunden lang.

Während des Trainings bin ich die meiste Zeit mit meinen Kollegen zusammen. Das sind Astronautenkolleginnen und –kollegen, die sowohl mit mir fliegen – wie z.B. Raja Chari oder Tom Marshburn – aber auch mit Astronauten, die kurz vor mir auf der Station sind – wie mein Französischer ESA-Kollege Thomas Pesquet – und mit denen ich dann eine Übergabe haben werde. Auch mit den Astronauten, die nach mir fliegen, an die ich dann wieder übergeben muss. Es ist ganz wichtig, dass das Teamwork stimmt, das die Chemie im Team immer passt.

Teil des Trainings ist natürlich auch die Vorbereitung auf Extrem- bzw. Gefahrensituationen, wie z.B. Feuer oder Druckverlust in der Raumstation. Hier ist wichtig, dass man seine Kolleginnen und Kollegen sehr gut kennt und das man sich 100-prozentig auf sie verlassen kann. Solche Situationen werden immer wieder geübt, damit uns die Reaktion in Fleisch und Blut übergeht.

Ich freue mich sehr auf meine Zeit in der Schwerelosigkeit, auf die vielen Experimente, aber auch auf den unglaublichen Blick auf unseren Planeten Erde. Während meiner fast 6-monatigen Mission wird es auch viele Neuerungen geben, wie z.B. den Besuch von Touristen auf der Raumstation. Langweilig wird uns also nicht.

Vielen, vielen Dank, dass Sie sich Zeit für unsere Fragen genommen haben. Wir begleiten Sie mit großer Aufmerksamkeit und wünschen Ihnen und Ihren Kolleginnen und Kollegen viel Glück bei dieser spektakulären Mission.

Das Interview führte Sabine Caspar.

Wer mehr über unseren Astronauten im All erfahren möchte, hier ein Fernsehtipp:

Das Team des Saarländischen Rundfunks hat Astronaut Dr. Matthias Maurer bei seiner Vorbereitung, seinem harten Training begleitet

Zu sehen in der Mediathek: „Ein Maurer für den Weltraum“

SR.de: Ein Maurer für den Weltraum

geschrieben von: sabine, am 18.10.2021

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