Das doppelte Straßenschild

Straße des 13. Januar, Foto: Susanne Renk

Heute bin ich bei einem Spaziergang entlang des Saarufers auf etwas gestoßen, dass mich zum Nachdenken anregte. Als historisch interessierter Mensch faszinieren mich so einige Dinge, die erst durch einen Blick in die Vergangenheit Sinn ergeben. Direkt in der Nähe von Saarbrückens Lyonerring fällt mir beim Betrachten der Gegend auf, dass an der Beschilderung der Straße des 13. Januar ein weiteres Straßenschild angebracht worden ist. Doch an der Stelle, an der der Name der Straße stehen sollte, steht nichts. Nach meiner Recherche finde ich heraus, dass es sich um ein Kunstwerk von Mia Unverzagt handelt. Doch was hat es damit auf sich? Welche Geschichte steckt dahinter?

Das Saargebiet

Um die Geschichte zu verstehen, muss man dort anfangen, wo sie begann – im Jahre 1920. Nach der Niederlage des deutschen Kaiserreiches im ersten Weltkrieg entscheiden die Siegermächte darüber, was mit dem Saarland passiert. Die Region war als Industrierevier insbesondere in Kriegszeiten durchaus bedeutend, denn entlang der Saar lagerten große Mengen Kohle und die Stahlindustrie florierte. Wäre es nach dem Briten gegangen, sollte das Saarland von Frankreich annektiert werden. Die USA setzten sich mit ihrem Vorschlag, das Land als Wiedergutmachung für französische Kriegsschäden für 15 Jahre vom Rest Deutschlands abzutrennen, jedoch durch. So entstand das Völkerbundsmandat des Saargebiets.

Der 13. Januar

Der 13. Januar 1935 war für das Saarland ein Tag der Entscheidung, der in der Geschichte in dieser Form einmalig ist. An diesem Tag sollte laut dem Versailler Vertrag über die Zukunft des Saargebietes von der Bevölkerung entschieden werden. Die Saarländer hatten drei Optionen zur Auswahl:

  1. Das Saarland behält die gegenwärtige Rechtsordnung als Völkerbundsmandat
  2. Es vereinigt sich mit Frankreich
  3. Es kehrt zu Deutschland zurück

Bei 98% Wahlbeteiligung stimmten 90% der Saarländer für eine Angliederung an Deutschland und damit für Adolf Hitler, der bereits 2 Jahre zuvor das Ermächtigungsgesetz durchgebracht hatte. Angesichts des öffentlichen Druckes und der deutschen Propaganda war dies zwar keine Überraschung, jedoch war der Wahlsieg Hitlers sein erster großer außenpolitischer Erfolg.

Straßenansicht, Foto: Susanne Renk
Straßenansicht, Foto: Susanne Renk

Denkmäler zur Abstimmung

Infolge des Triumpfes wurde von der Regierung angeordnet, Denkmäler zur Volksabstimmung zu errichten. In jeder saarländischen Stadt musste je eine Straße des 13. Januar und ein Befreiungsplatz ernannt werden. In Saarbrücken fiel die Entscheidung für die Straße des 13. Januar auf einen damals neu gebauten Weg, der von der ehemaligen Polizeikaserne zum Schlachthof führte. Denkt man darüber nach, welche Auswirkungen die Saarabstimmung auf die Bevölkerung hatte, bekommt das einen abstoßenden und faden Beigeschmack von diabolischem Sarkasmus. Unzählige Menschen waren auf der Flucht oder wurden unterdrückt, den Gegnern des Regimes drohte in vielen Fällen der sichere Tod. Den Namen Straße des 13. Januar trägt sie, obwohl sie zwischenzeitlich nach dem Fall der NS-Diktatur umbenannt wurde, heute noch.

Das Blankoschild

Warum wurde dieser Name nach all dem Grauen, die in der Zeit des Nationalsozialismus geschehen sind, beibehalten? Wirkt es nicht so, als erinnere der Name ganz im Sinne Adolf Hitlers an diesen für ihn überragenden Wahlsieg? Oder soll der Straßenname als Mahnmal bestehen bleiben? Viele der ehemaligen Straßen im Saarland, die denselben Namen trugen, besitzen diesen heute nicht mehr. Die in der Hauptstadt aber bleibt. Die Stimmen zu der Entscheidung, die Straße des 13. Januar bei diesem Namen zu belassen, gehen weit auseinander. Genau diese Auseinandersetzung will Mia Unverzagt mit ihrem Kunstwerk bewirken. Ist es als ein Mahnmal aufgrund der verheerenden Auswirkungen der Abstimmung nicht zu ungeeignet? Sollte das Thema nicht anders aufgearbeitet werden? Aufklärung und Gespräche sind sicher wichtig, aber kann ein Straßenschild eine solche Rolle anstoßen? Schaut man auf die Namen anderer Straßen, so sind sie nach bedeutenden Persönlichkeiten und großen Denkern und Forschern benannt. In diesen Kontext will man die Straße des 13. Januar sicherlich nicht einordnen. Mit ihrer Installation regt Mia Unverzagt einen inneren Monolog an, der die Art und Weise, mit der die Geschichte des Saarlandes durch ein Straßenschild aufgegriffen und erneut ins Bewusstsein gerufen wird, hinterfragt.

Wer mehr wissen will: Die Stiftung Demokratie Saarland bietet in Kooperation mit der vhs Regionalverband Saarbrücken eine Stadtrundfahrt an, die in ca. 4 Stunden relevante Stationen zu den Spuren der Naziherrschaft in Saarbrücken thematisiert.

geschrieben von: erik, am 19.08.2019

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