In Deutschland entstehen laut Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft jährlich 11 Millionen Tonnen Lebensmittelabfälle. Rund 59 Prozent an weggeworfenen essbaren Lebensmitteln sowie Schalen, Blätter, Knochen oder Kaffeesatz entstehen in privaten Haushalten. An zweiter Stelle folgen mit rund 17 Prozent die Restaurants, Gemeinschaftsverpflegung und Caterer.
Was kann die Gastronomie tun, um der Verschwendung von Lebensmitteln entgegen zu wirken? Wo nimmt Lebensmittelverschwendung ihren Anfang? Wie kann ein Küchenteam vorausschauend planen und uns als Gäste motivieren, den Teller leer zu essen?
Ich treffe mich mit Markus Keller. Er ist Küchenchef und als Koch bislang das einzige saarländische Mitglied der Slow Food Chef Alliance Deutschland, Mitglied im Slow Food Convivium Saarland und leidenschaftlicher Genuss Gastwirt Saarland. Regionalität und Nachhaltigkeit sind Grundlage seiner Philosophie.
Essbare Lebensmittel landen in der Tonne! Was sagen Sie als Koch und Gastronom dazu?
Die Tonne ist für uns überhaupt kein Thema. Wir verarbeiten regionale und saisonale Lebensmittel und gestalten unseren Wareneinkauf und die Verarbeitung so, dass nichts kaputtgeht. Sehr wichtig ist die Lagerung der Lebensmittel. Die spielt für uns eine enorm große Rolle, genauso das Haltbarmachen. – Wir fermentieren, kochen ein, machen Pestos, Sirup, Fonds - also, was wir einkaufen, dass verarbeiten wir auch.
Wie motivieren Sie Ihre Gäste, keine Reste zu machen, die dann weggeworfen werden?
Es gibt immer mal Gäste die außergewöhnlich wenig essen, aber in der Regel bekommt bei uns der Gast eine Portion von der wir glauben, dass sie ausreichend ist. Und wenn er möchte, kann er immer gerne einen Nachschlag bekommen. Das Angebot wird von den Gästen sehr gerne angenommen. Die finden das so viel besser, als einen vollen Teller. Bei unserem jährlichen Gänseessen zum Beispiel, da werden gerne Klöße nachgereicht, die Gäste freuen sich ein Jahr lang auf den Abend und dann kann es auch mal ein Kloß oder zwei mehr sein.
Wie halten Sie es mit der Speisekarte – groß oder klein?
Unsere Speisekarte ist eine saisonale Speisekarte. Auf die Karte kommt, was die Saison bringt. Wir müssen nur in die Natur schauen. Das ist auch ein wichtiger Punkt, um Lebensmittelverschwendung zu vermeiden: Die Karte klein halten und nicht tausend Sachen ins Angebot packen. Wenn man frisch und regional kocht, macht auch die Arbeit Spaß. Man verarbeitet immer neue Produkte, das ist abwechslungsreich und zudem auch viel gesünder. Wichtiger Impulsgeber sind bei uns auch die Aktionswochen von SlowFood, die immer wieder animieren, was Neues und Saisonales auszuprobieren.
Hat sich das Essverhalten verändert? Wollen die Leute eher kleinere Portionen?
Auf jeden Fall. Bei uns wollen die Gäste gerne auch Vorspeisen essen und ein Dessert. Die Leute möchten heute viel mehr probieren und genießen, wenn sie in ein Restaurant gehen. Was sich auch ganz klar verändert hat, ist der Wunsch nach vegetarischen und veganen Gerichten – der Trend ist voll angekommen und der wird auch die Zukunft bestimmen. – Die Wertigkeit von Fleisch und Fisch wird weiter zunehmen und die Portionen kleiner - ein gutes Stück Fleisch oder ein schöner Fisch sind etwas ganz Besonders – das müssen wir unseren Gästen noch mehr vermitteln.
Personalmangel in der Gastronomie! Wie funktioniert bei Ihnen frisch kochen mit weniger Personal?
Der Personalmangel wird im Moment bei uns durch die Familie abgefangen und wir haben unsere Kapazitäten und Öffnungszeiten zurückgeschraubt. Ansonsten sind wir den entgegengesetzten Weg gegangen und haben uns entschlossen noch mehr selbst zu produzieren und weiter an der Qualität zu arbeiten. Wir backen zum Beispiel seit der Corona-Pandemie unser Brot selbst. Wir können jeden Tag auf einen lang geführten Teig zugreifen und nach Bedarf frisch backen. Wir bieten ein wunderbares Brot an und haben seitdem so gut wie keine Brotabfälle mehr. Ich sehe aber mit Sorge, dass in den Restaurants durch die Personalknappheit immer mehr Basiswissen verloren geht und immer mehr zugekauft wird. Wir machen das anders: wir schicken lieber 20 Essen weniger und produzieren unsere Produkte selber. Wenn man sich viel Arbeit mit einem Produkt gemacht hat, dann passt man auch gut darauf auf, dass da nichts schiefgeht oder weggeworfen wird – das stelle ich bei unserem Küchenteam immer wieder fest.
Ganz nach dem Leitsatz von SlowFood: Alles verwenden nichts verschwenden?
Ja, der wird oft nur aufs Fleisch fokussiert, dass von der Schnauze bis zum Schwanz alles verarbeitet wird. Aber das gilt aber auch fürs Gemüse – eine Suppe aus Kohlrabiblättern oder Rote Beete Blätter frittiert als Garnitur, die Zwiebelreste und Petersilienstengel für die Fonds verwenden – das sind alles superfrische Produkte und die bringen den Geschmack. Wer frisch kocht, der wirft einfach wenig weg, das war schon immer so. Für einen Koch, der frisch kocht, ist das eine Selbstverständlichkeit: Alles muss verarbeitet werden. Und wir haben hier im Saarland das Glück, dass uns super Produkte aus der Region zu Verfügung stehen, die würden wir in der Qualität niemals im Großhandel bekommen. Und das Kochen mit diesen Produkten macht einfach Freude – Kochen muss Spaß machen!
https://unsere.werns-muehle.de/
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