Wer dreht hier am Rad…?

Dieses Team lässt Radlerherzen höherschlagen, v.l.n.r. Yannik Lund, Niklas Bender, Alexander Stopp (Geschäftsführer)
Dieses Team lässt Radlerherzen höherschlagen, v.l.n.r. Yannik Lund, Niklas Bender, Alexander Stopp (Geschäftsführer)

Ein altes Schild an der Fassade des Eckhauses verrät, dass es hier im Gassengewimmel des Biosphäre-Städtchens Blieskastel jemanden gibt, der ganz verrückt nach Fahrrädern zu sein scheint. Die geniale Erfindung des Karl von Drais lässt heute wie vor 200 Jahren viele Herzen höherschlagen. Passend dazu hat Niklas Bender auch den Namen für seinen Fahrradladen gewählt: Pulssport.

Es war schon immer sein großer Traum, irgendwann einmal ein eigenes Radgeschäft zu haben. Nachdem die alte Bahntrasse, die damals an Blieskastel vorbeiführte, zum Radweg umgewandelt wurde, war für ihn die richtige Zeit gekommen, seine Geschäftsidee in die Tat umzusetzen. 2003 öffnete erstmals die Tür zum damals neuen Fahrradladen in der Blieskasteler Altstadt, in dem heute Alexander Stopp die Geschäfte führt. Dort traf ich Niklas Bender, um mit ihm über seine Leidenschaft für Räder und über ein ungewöhnliches Hobby zu sprechen.

Ein bisschen Stolz darf sein. Pokale gehören zur Ladenausstattung.
Ein bisschen Stolz darf sein. Pokale gehören zur Ladenausstattung.

Niklas, du hast eine besondere Vorliebe für alte Rennräder. Wie kommt es dazu?

NB: Fahrräder sind „die“ Konstante in meinem Leben. Ich bin praktisch mit Fahrrädern groß geworden und habe selbst früh mit dem Radsport angefangen. Als aktiver Amateur hatte ich mich natürlich viel mit Rennrädern beschäftigt, daran rumgeschraubt und gut gebaute Räder schätzen gelernt. Die waren damals noch aus Stahl. Ende der 80er Jahre wurde das Thema Stahl-Rennräder auf einmal belächelt. Gute Räder wurden aussortiert, weggeworfen. Stahl wurde als Werkstoff durch Aluminium und später durch Carbon abgelöst. Für mich war es damals als junger Mann traurig zu sehen, was mit diesen Rädern passiert.

Und da hast du angefangen, alte Rennräder zu sammeln?

NB: Ja, diese Rennräder stehen symbolisch für den „Spirit“ des Radsports und es tat mir in der Seele weh zu sehen, dass dies so missachtet wurde. Als Kind waren diese Räder für mich immer unerschwinglich. Ein „französicher Renner“ war damals der Traum schlechthin, die waren genial zu fahren. Jahre Später musste ich dann zusehen, wie diese Räder weggeworfen wurden. Die habe ich dann zum ersten Mal vom Sperrmüll genommen, gehortet und angefangen zu sammeln.

Das Gebäude einer ehemaligen Näherei hinter dem Laden beherbergt heute Niklas Benders Sammlung alter Rennräder
Das Gebäude einer ehemaligen Näherei hinter dem Laden beherbergt heute Niklas Benders Sammlung alter Rennräder

Da schwingt schon ein wenig Nostalgie mit, oder?

NB: Absolut. Für mich sind die Fahrräder lebendig, jedes hat seine eigene Geschichte. Und mir ging es immer schon darum, welche Geschichte das Fahrrad erzählt und nicht um Rahmennummern, Serien usw. Der Aspekt des „Heritage“ und die Story stand immer im Vordergrund. Ich bin kein Sammler, der die Räder von morgens bis abends poliert und alle Seriennummern auswendig kann. Den heutigen Rädern fehlt dieser besondere Spirit. Die werden irgendwo in Fernost in einer Form zu Tausenden gefertigt, dann kommt ein gutes Label drauf, das Marketing dazu und dann werden sie teuer verkauft. Natürlich sind die Räder gut, sind steifer, leichter und aus technischer Sicht besser, aber es fehlt das „Herz“. Damals waren alle Räder von Hand gefertigt, waren gebaut für die Ewigkeit. Nachhaltig eben. Jedes der Räder aus meiner Sammlung könnte ich innerhalb von 3 Stunden mit ganz wenig Geld wieder so herrichten, dass man es für die nächsten 20 Jahre fahren kann.

Du hast etwa 100 Räder in deiner Sammlung. Welches Rad war das Erste?

NB: Das waren zwei alte Rennräder der Marke „Peugeot“. Die habe ich von einem Herrn, der bei Peugeot arbeitete, abgekauft. Die Räder waren damals schon älteren Datums und waren für den Besitzer monetär nicht mehr viel Wert. Die Sammlung hat sich innerhalb von etwa 25 Jahren aufgebaut. Am Anfang ging das im Schneckentempo, aber irgendwann fanden die Räder dann zu mir. Manche wurden geschenkt oder in meine Obhut gegeben. Ich habe dann immer gesagt: erzähl mir mal die Geschichte zu dem Rad und je schöner die Geschichte war, desto höher war der Wert für mich. Wenn mich die Story faszinierte, hatte das Rad bei mir einen ganz besonderen Platz.

Oldies, but Goldies. Nostalgie bis unter´s Dach
Oldies, but Goldies. Nostalgie bis unter´s Dach

Gibt es ein Rad, dass dir ganz besonders am Herzen liegt?

NB: Es gibt die tollsten Geschichten zu jedem Rad. Aber eines hat einen ganz besonderen Stellenwert. Auf diesem Rad werde ich einmal die Welt umrunden. Das ist mein Lebensziel. Es gehörte einem Mann, der irgendwann 2008/9 zu mir ins Geschäft kam. Er brachte ein wunderschönes, altes, italienisches Tommasini in Reparatur. Baujahr Ende 80. Ein Ferrari unter den Rennrädern und damals schon unerschwinglich. Etliche Tour de France-Siege sind mit Rennrädern dieser Art eingefahren worden. Es sollten neue Reifen drauf, weil er nochmal damit fahren wollte. Ich habe das Rad gesehen und spontan gesagt: „Wow, unfassbar schön“. Das war wirklich eines der schönsten Stahlrennräder, das ich jemals gesehen hatte. Ich habe dann ganz beiläufig erwähnt, dass, wenn er es irgendwann einmal hergeben möchte, ich es ihm gerne abkaufen würde. Letztes Jahr im Spätsommer kam dann die Frau dieses Mannes ins Geschäft. Ich habe genau gespürt: irgendetwas ist passiert. Sie stand vor mir, sah mich an und sagte zuerst nichts. Dann holte sie ganz tief Luft und sagte mit kräftiger Stimme: Mein Mann ist gestorben, ich möchte, dass Sie dieses Fahrrad bekommen. Mir hat es fast den Boden unter den Füßen weggezogen. Das war für mich ein ganz großes Ding. Das Rad bekam gleich einen Sonderplatz, stand lange bei mir im Wohnzimmer. Jetzt steht es im Laden. Wenn ich damit einmal die Welt umfahre, kann ich vielleicht auf diese Weise dem Vorbesitzer die richtige Ehre erweisen.

Der Laden liegt ja mitten in der Biosphäre Bliesgau, du hast also schöne Strecken direkt vor der Haustür. Kommst du denn selbst noch zum Rennradfahren?

NB: Leider viel zu selten. Ich habe mehrere Projekte, die viel Zeit in Anspruch nehmen. Dazu gehört auch ein Radverleihservice auf Mallorca. Aber das stimmt schon, nirgendwo kann man so schön Radfahren wie auf Mallorca und hier im Bliesgau mit den angrenzenden Nordvogesen. Diese Region hat einfach alles, was es zum Rennradfahren braucht. Der einzige Vorteil, den Mallorca vielleicht hat, ist das stabilere Wetter. Ich habe das große Glück, dass ich von Gästen im Laden oft dafür sensibilisiert werde, wie schön es hier ist.

Beachfeeling im Hinterhof. Hier gibt´s auch neue Mountainbikes zu kaufen
Beachfeeling im Hinterhof. Hier gibt´s auch neue Mountainbikes zu kaufen

Gibt es eine Lieblingsrunde, die du uns verraten kannst?

Klar, man kann direkt ab Blieskastel starten. Die Tour führt durch das Bliestal in Richtung Nordvogesen und zurück. Besonders im Spätsommer und im Herbst, wenn man in diese Farbenpracht der Vogesen hineinrollt, ist die Tour unglaublich schön. Hier der Link zum Tourenvorschlag

Da bekommt man direkt Lust, loszufahren. Aber wie kann sich ein „normaler“ Radfahrer dem Rennradfahren annähern?

Man muss sich einfach mal trauen. Gute Verleihangebote gibt es auch bei Pulssport. Vielleicht ist es am Anfang mit den dünnen Reifen etwas wacklig, aber das gibt sich nach 5 Kilometern schon und dann weiß man es auch schnell zu schätzen. Es wird auf jeden Fall nie langweilig. Das Schöne am Rennradfahren ist, dass man die Belastung sehr gut steuern kann. Beim Einstieg sollte aber immer der Spaß im Vordergrund stehen!

Mehr Tourenvorschläge zum Rennradfahren im Saarland und bei seinen Nachbarn findet man unter: www.radfahren.saarland

geschrieben von: klaus, am 21.07.2017

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Kommentare

  • Wolfgang Henn

    • vor 4 Jahre
    Hallo,
    ich finde das Geschäft super und es liegt auch sehr schön in einem historischen Haus direkt am Paradeplatz in Blieskastel. Das Team berät einem super und ich habe zwei neue E-Bikes gekauft. Auch wenn man mal eine kleine Reparatur hat, die Jungs haben schnell was wieder festgeschraubt oder einen Reifen gewechselt. Das mit dem "Rennradmuseum" in "Hinterstübchen" hatte ich garnicht gewusst. Man lernt eben immer wieder dazu. Vielleicht sollte man mal eine Führung anbieten?

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