Vom 24. bis 28. September 2024 findet in Saarbrücken der Deutsche Naturschutztag DNT statt. Er ist der größte Naturschutzkongress im deutschsprachigen Raum. Wir haben uns mit einem der Referenten getroffen: Ulrich Leyhe ist Vorsitzender der NABU Ortsgruppe Saarlouis / Dillingen.
Er wird auf dem DNT-Kongress einen Lebensraum im Saarland vorstellen, der sowohl artenreich als auch von hoher ökologischer Bedeutung ist und in mühsamer ehrenamtlicher Tätigkeit aufwenig umgestaltet wurde: Der Ökosee Dillingen.
Der Ökosee Dillingen - wie fing alles an, Herr Leyhe?
Der rund 23 Hektar große Ökosee liegt unweit der Saar, eingebettet in die alte Auenlandschaft nahe des Dillinger Stadtteils Pachten. Er wurde Ende der 70er Jahre geplant und in den 1980er Jahren im Zuge des Saarausbaus zur Hochwasserregulierung der Saar angelegt. Bis 2005 war der See kein nennenswerter Lebensraum, da ihm gänzlich die wichtigen Flachwasserzonen fehlten. Und als im gleichen Jahr die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung als Grundstückseigentümer den Plänen des NABU Saarlouis / Dilingen zur ökologischen Aufwertung des Sees zustimmte, rollten 2006 bereits die ersten Bagger. Nicht weniger als 26.000 Kubikmeter Erdmassen mussten allein auf der Insel zum Oval verschoben werden. Das Flächenvolumen verdoppelte sich und es entstanden auf ihr mosaikartige Zonen, wodurch es den Eindruck eine Atolls vermittelt.
Außerdem wurden mehrere hundert Meter Uferzone abgeflacht ,wobei neue Inseln - teilweise unter Wasser gelegt - entstanden und modelliert wurden. Seichte Zonen gehörten ebenso dazu wie eine Vielzahl kleiner Buchten, die als Sonnenplätze dienen und mittels Wurzeln und Totholz strukturreich gestaltet und aufgewertet wurden. Die Seeufer des Gewässers sind heute wertvolle Lebensräume zwischen Land und Wasser, die dank ihrer großen Vielfalt eine hohe Biodiversität aufweisen.
Welche Bedeutung hat der Ökosee für den Kreislauf der Natur ?
Er trägt dazu bei, seltene Arten anzulocken und somit die Artenvielfalt im mittleren Saartal insbesondere unter den Wasservögeln erheblich zu steigern. Zudem erhöht er das Volumen der gesamten Biomasse aller Organismen und Pflanzenarten am und im See. Stehende Gewässer erbringen vielfältige Ökosystemleistungen wie die Regulierung des Kohlenstoffkreislaufs, sie dienen als Kaltluftenstehungsgebiete und tragen so zur Minderung der Klimafolgen bei.
Sie leiten seit rund 35 Jahren die NABU-Ortsgruppe Saarlouis / Dillingen. Seit wann ist Naturschutz Ihre Leidenschaft?
Seit ich etwa elf Jahre alt war. Während mein Großonkel bereits ornithologisch aktiv war und seine Leidenschaft auf meinen Vater übertrug, steuerte meine Mutter die Tierliebe bei. Ich habe für zahlreiche Artenschutz- und Renaturierungsprojekte in der Region den Anstoß gegeben, mich für die Umsetzung und Gestaltung zahlreicher Naturrefugien eingesetzt und daran mitgewirkt. Dazu gehören u.a. die gelungenen Strukturierungen im Komplex der Wadgasser Feuchtwiesen, die Unterschutzstellung der grenzüberschreitenden Grafenthaler Wiese bei Hemmersdorf, die Maßnahmensteuerung am Konzept für den ökologischen Ausgleich des Gewerbegebietes Lisdorfer Berg auf dem Saargau, die Zielrichtung den Eingriff auf dem Dillinger Hüttengelände im Zusammenhang mit der Transformation hin zum „grünen Stahl“ auf die Wiesenflächen nördlich des Ökosee zu focussieren, sowie zahllose Kleinprojekte wie zuletzt die Renaturierung in einem Telbereich der Rehlinger Fischweiher. Aber wenn man für den Naturschutz etwas erreichen will, dann funktioniert sowas nur innerhalb einer vertrauensvollen Gemeinschaft eines funtionierenden Vorstandes und wäre ohne einen starken Verband wie den NABU im Rücken nicht denkbar gewesen.
Was kann jeder von uns für den Naturschutz tun ?
Natürlich kann jeder im eigenen Garten klein anfangen, etwa einen Teil des Gartens völlig der Natur überlassen für einen guten Kompost sorgen, Nistkästen aufhängen, Vögel füttern oder Bäume auch mal morsch werden lassen. Aber Naturschutz ist ein komplexes Feld, es gibt viele Tätigigkeitsfelder von denen man sich eines aussuchen kann, man muss sich aber auch durch die zahlreichen Schutzverordnungen, Auflagen und Vorschriften durcharbeiten, damit auch was dabei heraus kommt. Aber schnell können auch Interessenskonflikte aufkommen, was dann viel Diplomatie erfordert. Wenn man für die Natur etwas erreichen will, muss man aber auch schon mal als Schlichter auftreten. Und natürlich kann man sich als Naturschützer nicht immer beliebt machen, muss aber bei allem darauf achten, Mensch zu bleiben.
Wie motivieren Sie sich persönlich?
Ich kämpfe sozusagen jeden Morgen dagegen an mich nicht von der Realität unterkriegen zu lassen, meine Naivität und Gutgläubigkeit zu behalten und Positivität auszustrahlen, was nicht immer einfach ist. Ich muss auch mit Rückschlägen umzugehen wissen.
Umso erfreulicher ist es, dass die Politik Ihre Arbeit schätzt: Im vergangenen Jahr haben Sie die Paul-Haffner-Naturschutzmedaille erhalten.
Und das obwohl ich es unseren Umweltpolitikern nicht immer leicht mache und ihnen oft auf die Füße treten muss, daher hat es mich besonders gefreut. Aber wichtiger als Medaillen ist mir, dass nicht nur aktiver Naturschutz stattfindet, sondern die notwendigen ökologische Ausgleichsmaßnahmen auch sichtbar werden und bleiben. Vieles wird als ökologischer Ausgleich verkauft, auch wenn es nur eine gemütliche Ruhebank am Wegesrand ist. Aber es gehört immer die Nachsorge dazu, die zu oft vernachlässigt wird oder misslingt. So findet man in vielen einst hoch gepriesenen Ausgeichsmaßnahmen heute wieder Eingriffe vor, die es nicht hätte geben dürfen. Zurzeit sitzt man an runden Tischen, an denen diskutiert wird, wie man die Mitmenschen gegen die ungute Anwendung von Mährobotern sensibilisieren kann oder wie man ihnen nahe bringen kann, dass Wildpflanzen im Rasen nicht den Weltuntergang bedeuten und ein wenn auch bequemer Steingarten der Natur nicht viel bringt. Blühpflanzen werden verdrängt, Insekten finden keine Nahrung und keiner darf sich wundern, wenn die Singvögel ausbleiben.
Vielen Dank für das informative Gespräch und ihr persönliches Engagement für den Naturschutz im Saarland.
Führungen zum Ökosee Dillingen können direkt mit Ulrich Leyhe vereinbart werden: Telefon: 06831 / 68299 oder leyhe-ulrich@t-online.de