Claire Morgan - Joy in the Pain

Ausstellungsansicht „Claire Morgan – Joy in the Pain“ © Claire Morgan, Courtesy Galerie Karsten Greve, Paris, Köln, St. Moritz, Foto: Stiftung Saarländischer Kulturbesitz / Tom Gundelwein

Magisch, märchenhaft, romantisch, atemberaubend.
An was denkst Du, wenn Du all diese Wörter hörst?

Es klingt nach heiler Welt.
Und auf den ersten Blick ist hier auch heile Welt!

Ich betrachte die Ausstellung „Joy in the Pain“ von Claire Morgan im Saarlandmuseum Moderne Galerie und bin fasziniert.

Die raumgreifenden wunderschönen fragilen Installationen beeindrucken mich.

Claire Morgan: Here is the End of All Things, 2011, Eule (Taxidermie), Schmeißfliegen, Distelsamen, Nylonfaden, Blei, Acryl © Claire Morgan, Courtesy Galerie Karsten Greve, Paris, Köln, St. Moritz, Foto: Stiftung Saarländischer Kulturbesitz / Tom Gundelwein.
Claire Morgan, Here is the End of All Things, 2011, Eule (Taxidermie), Schmeißfliegen, Distelsamen, Nylonfaden, Blei, Acryl © Claire Morgan, Courtesy Galerie Karsten Greve, Paris, Köln, St. Moritz, Foto: Stiftung Saarländischer Kulturbesitz / Tom Gundelwein.

Here is the End of All Things

Diese Installation umfasst vier Kuben, entstanden aus einer Unzahl aufgefädelter Distelsamen.

Ich habe Sorge, dass ich sie zerstören könnte, so fragil und zerbrechlich wirken sie. Aufgefädelt und aufgereiht in klare geometrische Strukturen. Eine Schleiereule wagt den Flug, wie eine Gewehrkugel fliegt sie durch die Kuben hindurch und kommt mit ausgebreiteten Schwingen zum Stillstand. Sie durchbricht die klaren Formen. Erst jetzt stelle ich fest, dass beim vierten Kubus keine Distelsamen, sondern unzählig viele schwarzblauen Schmeißfliegen verwendet wurden. Beim Anblick einer toten Schmeißfliege, die zu Hause oft tot auf der Fensterbank liegt, habe ich schon oft ihren schwarzblauen Glanz bemerkt. Dabei empfand ich schon eine Traurigkeit, denn mein Fenster führte zum Tod dieser Fliege. Auch jetzt empfinde ich Scham. So aufgereiht haben die Schmeißfliegen eine faszinierende glänzende Wirkung. Wie kann etwas schön sein, obwohl es aus vielen toten Lebewesen besteht?

Zudem kommt mir in den Sinn: Eine Fliege stört mich meist nicht, aber mehrere stören schon fürchterlich. War die Schleiereule auch genervt, stoppte sie deswegen ihren Flug?

Wer sich mit dem künstlerischen Werk von Claire Morghan beschäftigt, erfährt, dass sie oft die „Bluebottles“, diese blau-schwarzen Schmeißfliegen, verwendet. Mit den blauschwarz glänzenden Körpern sind sie bestens geeignet, als aneinandergesetzte Masse eine kompakte, durchaus ästhetische Form abzugeben. Und wir alle wissen um ihre Rolle in der Forensik: sie dienen dazu, den Todeszeitpunkt einer Leiche zu bestimmen.

Heile Welt vorbei!

Grund genug auch die Schleiereule genauer zu betrachten. Schließlich begegnet man diesem geheimnisvollen Nachtvogel selten in freier Natur. Die Schleiereule ist eine majestätische Erscheinung.

Claire Morgan präsentiert uns eine Schleiereule mit Handicap. Sie ist ein Unfallopfer und besitzt nur einen Fuß. Hat sich diese Schleiereule etwa auch an einem vom Menschen gebauten Fenster verletzt? Jedenfalls sind schon etliche Fliegen auf ihrer Wunde versammelt.

Ich hoffe noch, aber nein diese Schleiereule ist bereits tot. Ja, wir Menschen haben eine Welt geschaffen, die für die Tiere oftmals tödlich endet. Der Kampf der Tiere ums Überleben wird mir beim Betrachten von Here Is the End of All Things schmerzlich bewusst.

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Claire Morgans jüngste Arbeit ist eine raumhohe Fadeninstallation. Ich habe die Möglichkeit, Teil der Installation zu werden. All of the things I have ever lost ist begehbar und ich stehe dadurch unmittelbar in Beziehung zum Werk. Da sind tausende Einzelteile, alles blaue Schnipsel von auseinandergerissenen Plastiktüten. Die Thematik von Plastikmüll ist omnipräsent. Das Verpackungsgesetz wurde Anfang des Jahres geändert. Der Handel darf keine leichten Kunststofftragetaschen mehr an Kunden ausgeben. Immerhin ein Schritt in die richtige Richtung.

Ich entferne mich aus der Installation und sehe sie nun in ihrer vollen Pracht: Es ist ein Wal, das größte Tier, das je auf der Erde gelebt hat, ein sogenannter "Right Whales", Blauwal, kopfüber in den Raum, die Schnauze im Boden versunken, lediglich sein wuchtiger Leib und seine Flanke schweben im Raum. Ein Windhauch könnte dafür sorgen, dass sich die Abertausenden von blauen Plastikteilchen auflösen. Was für eine gewaltige Bildsprache für Plastikvermüllung, die Zerstörung der Meere durch Mikroplastik und der Tod der Meerestiere. Wir dominieren wirklich die Welt in einer Weise, wie es keine andere Tierart tut.

Claire Morgan: All of the things I have ever lost, 2020 - 2021 , zerschlissene Polyethylenfolie,  Nylonfaden, Blei, Acryl © Claire Morgan, Courtesy Galerie Karsten Greve, Paris, Köln, St. Moritz, Foto: Stiftung Saarländischer Kulturbesitz / Tom Gundelwein.
Claire Morgan, All of the things I have ever lost, 2020 - 2021 , zerschlissene Polyethylenfolie, Nylonfaden, Blei, Acryl © Claire Morgan, Courtesy Galerie Karsten Greve, Paris, Köln, St. Moritz, Foto: Stiftung Saarländischer Kulturbesitz / Tom Gundelwein.

Claire Morgans Ansatz greift tief, denn mit der fragilen Darstellung der Installation, der Auflösung der organischen Substanz in kleinste Partikel geht auch die Möglichkeit einer Vernetzung oder Verschmelzung einher, nach der alles mit allem zusammenhängt.

Mitten drin in den Folgen der Zerstörung ist man als Besucher der Ausstellung. Dieser Schmerz kann sprachlos machen. Claire Morgan ermahnt jedoch nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern schafft Aufmerksamkeit auf eine faszinierende Art und Weise. Der Mensch steht nicht an der Spitze der Evolution. Es ist ein Trugschluss sich über die Natur zu erheben, ein Trugschluss, der dazu führt, dass wir uns selbst zerstören.

Ausstellungsansicht „Claire Morgan – Joy in the Pain“ © Claire Morgan, Courtesy Galerie Karsten Greve, Paris, Köln, St. Moritz, Foto: Stiftung Saarländischer Kulturbesitz / Tom Gundelwein
Ausstellungsansicht „Claire Morgan – Joy in the Pain“ © Claire Morgan, Courtesy Galerie Karsten Greve, Paris, Köln, St. Moritz, Foto: Stiftung Saarländischer Kulturbesitz / Tom Gundelwein

Die Entscheidung der Künstlerin in ihren Installationen und Zeichnungen natürliche Elemente wie Pflanzensamen, Fliegen und andere präparierte Tiere zu verwenden, ist ein starker Hinweis darauf, dass die Natur ihre Natürlichkeit längst eingebüßt hat. Morgan beschäftigt sich mit der Schönheit der Natur und zeigt auf, dass diese droht unterzugehen.

Der Mensch hat mit seinem Tun in die heilen Strukturen der Natur eingegriffen. Nun gilt es, endlich Wege zu gehen, die die Natur und Tierwelt bewahren.

Die Ausstellung ist bis zum 6. Februar in Saarbrücken zu sehen und ist die größte Schau der britischen Künstlerin in Deutschland. Gezeigt werden 10 Installationen und Objekte sowie 12 Gemälde und Zeichnungen. "-Joy in de Pain-" ist Claire Morgan´s zweite Einzelausstellung in einem deutschen Museum.

Mehr Infos zur Ausstellung und dem Oeuvre der Künstlerin Claire Morgan im Interview zur aktuellen Ausstellung.

geschrieben von: sabine, am 20.09.2021

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